Dr. Patrick Bronner
Die Digitalisierung des Unterrichts wird nur dann erfolgreich sein, wenn damit auch ein Wandel der Lern- und Prüfungskultur verbunden ist [15]. Zum wirkungsvollen, kompetenzorientierten und personalisierten Einsatz von Schüler-Tablets im Klassenzimmer wurden am
Friedrich-Gymnasium Freiburg forschungsbasierte Lehr- & Lernkonzepte zu didaktischen Leitlinien des Unterrichts gemacht.
I.1 Einführung: Berufs- und Arbeitswelt 4.0
Digitale Medien haben unseren Alltag in den letzten Jahren grundlegend verändert. Die Digitalisierung geht dabei über den rein technischen Fortschritt hinaus und resultiert in einem gesellschaftlichen Wandel aller Lebensbereiche. Die Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt verschwimmen zunehmend. Besonders ist diese Entwicklung im beruflichen Bereich zu spüren.
In der Arbeitswelt werden im Zuge der Digitalisierung immer mehr Routine-Tätigkeiten durch Maschinen und den Einsatz von künstlicher Intelligenz ersetzt. Gleichzeitig entstehen neue Tätigkeitsprofile wie z. B. die Stelle eines „Scrum Masters“, bei der vor allem kommunikative, kreative, fächerübergreifende und komplexe Fähigkeiten gefordert werden.
Vor dem Hintergrund des digitalen Wandels unserer Gesellschaft sollten im Unterricht - neben der Vermittlung des Fachwissens und einer umfangreichen Persönlichkeitsbildung - auch vermehrt Kompetenzen gefördert werden, die auf die Anforderung der Berufs- und Arbeitswelt 4.0 vorbereiten.
I.2 Digitaler Unterricht: Kompetenzorientierung statt Reproduktion
Die Digitalisierung des Unterrichts wird derzeit häufig nur eingesetzt, um bestehende Unterrichtsabläufe und Materialien durch digitale Möglichkeiten zu erweitern oder zu ersetzen. Statt Schulbuch ebook, statt Hefteintrag Tablet-Notiz, statt Lehrervortrag Erklärvideos und statt Übungsheft Lernplattform. Es handelt sich bei diesen Beispielen um ein digitales Konservieren der etablierten traditionellen Lehr- und Lernkultur. Zeitgemäßer digitaler Unterricht muss heute jedoch viel mehr bedeuten, als nur die neuen Möglichkeiten über bekannte traditionelle Lehr- und Lernkonzepte zu stülpen.
Das Potential des Einsatzes von Schüler-Tablets im Unterricht liegt weniger in der Reproduktion von Wissen mit „drill & practice“, sondern viel mehr in der zeit- und ortsunabhängigen Förderung und Stärkung von Kompetenzen wie Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritischem Denken. Die so genannten „21st century skills“ lassen sich im späteren Arbeitsleben durch künstliche Intelligenz kaum ersetzen. Hierzu ist eine Verknüpfung von mobilen Endgeräten mit offenen, forschenden und projektartigen Arbeitsaufträgen ein gangbarer Weg.
Den skizzierten Wandel im Bildungsbereich fordert auch die Kultusministerkonferenz in ihrer aktuellen Handreichung „Lehren und Lernen in der digitalen Welt“ [15]: „Im digital gestützten Unterricht gilt es zudem, eine Lehr- und Lernkultur zu entwickeln, die selbstgesteuertes Lernen fördert und in der die Lehrkräfte Lernprozesse vermehrt flankierend begleiten, offene Lösungswege und eine Handlungsorientierung anbieten sowie kollaborativ-vernetzt erstellte digitale Produkte der Lernenden einfordern.“.
I.3 Neue Lernkultur: Projektunterricht
Durch eine offen formulierte Aufgabenstellung z. B. im Rahmen einer Projektarbeit werden die Schüler*innen zu Produzenten ihres eigenen Wissens. Digitale Medien können hierbei durch den schnellen Zugang zu Informationen und die einfache Erstellung von multimedialen Produkten Lernprozesse fördern. Im Rahmen der Projektmethode erleben die Lernenden einen hohen Grad an Handlungsorientierung, Selbstwirksamkeit, sozialer Eingebundenheit und Autonomie. Die Verbindung von digitalen Medien mit offenen und forschenden Aufgaben leistet gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur (Selbst-) Differenzierung und fördert prozessbezogene Kompetenzen.
Das Allheilmittel für guten Unterricht ist das Projektlernen allerdings auch nicht. Schule braucht beides: Auf der einen Seite die mit digitalen Medien unterstützte Wissensaneignung im Klassenverband und auf der anderen Seite offene und forschende Aufgabenformate zum eigenständigen Erarbeiten z. B. von digitalen Lernprodukten. Das richtige Verhältnis aus Tradition und Innovation muss dabei ständig ausgelotet werden. Im Unterricht des Autors gibt es z. B. in jedem Unterrichtsfach pro Halbjahr eine Projektarbeit mit digitalen Medien in einem zeitlichen Umfang von bis zu vier Wochen. Neben den fachlichen Inhalten werden dabei vor allem Kompetenzen zum eigenverantwortlichen Lernen gefördert.
II.1 Datenschutz beim Einsatz von KI-Tools im Unterricht
Aufgrund des Datenschutzes darf ich Schüler*innen nicht verpflichten, ihren oft bereits vorhandenen privaten ChatGPT-Account im Unterricht einzusetzen. Seit März 2023 gibt es über Softwareanbieter wie z.B. Fobizz oder GPTschule die Möglichkeit, amerikanische KI-Tools über eine API-Schnittstelle datenschutzkonform im Unterricht einzusetzen (keine personenbeziehbare Zuordnung von Nutzungsdaten zu einzelnen Schüler*innen, Daten werden nicht zum Trainieren der Modelle verwendet). Dabei dürfen in die Prompts keine personenbezogenen Daten eingegeben werden.
Als Lehrkraft logge ich mich in das jeweilige deutsche Webportal ein und eröffne einen virtuellen Klassenraum mit temporären Schüleraccounts. Die Lernenden scannen mit ihrem schulischen Endgerät den Zugangslink über den QR-Code und haben Zugriff auf die von der Lehrkraft freigegebenen KI-Tools.
II.2 Haltung des Kultusministeriums BW zum Einsatz von KI im Unterricht
Der aktive Einsatz von KI-Tools wird seit Anfang Februar 2023 vom Kultusministerium Baden-Württemberg gefordert: „Künstliche Intelligenz muss aktiv im Schulunterricht behandelt werden, da die Schülerinnen und Schüler lernen müssen, mit dieser neuen Technologie umzugehen […]. Es ist auch essenziell, sie darüber aufzuklären, welche Gefahren, aber auch welche Chancen und Vorteile künstliche Intelligenz bietet. […] Zudem werden Text-KI-Tools von Lehrkräften als methodisch-didaktische Werkzeuge verwendet.“ (Quelle: km-bw.de, Abruf: 10.02.23).
II.3 Chancen und Risiken von ChatGPT im Unterricht
Neben dem mathematischen Einsatz von KI-Tools als Lernhelfer sollten sich die Schüler*innen auch mit den Chancen und Risiken von ChatGPT z.B. zur Unterstützung bei der Bearbeitung von Hausaufgaben beschäftigen.
Für die Diskussion wurden Lernenden in Partner-Teams aufgeteilt. Jede Gruppe erhielt dabei eine Diskussionskarte (Quelle: DoodleTeacher) mit einer bestimmten Fragestellung. Die Beantwortung und die Diskussion mit den anderen Gruppen erfolgte auf einer digitalen, datenschutzkonformen Kollaborations-Plattform. Im digitalen Board sollte jede Gruppe unter a) die Frage zunächst selbst beantworten. Unter b) sollte eine von ChatGPT generierte Antwort eingefügt werden. Unter c) konnte die nachfolgende Partnergruppe die Antworten der Gruppe (a) mit den Antworten von ChatGPT (b) vergleichen. Ergebnisse der Schüler*innen: Anonymisierte Diskussion der Klasse 10a (Genehmigung der Lernenden zur Veröffentlichung liegt vor): http://bit.ly/40h2BZi
II.4 Prüfungskultur: Abitur mit ChatGPT?
Eine schöne Analogie ist die Verwendung des Taschenrechners: 1978 war er im Unterricht strikt verboten. Im Jahr 1983 wurde das Gerät in Baden-Württemberg erstmals im Abitur zugelassen. Heute ist der Taschenrechner aus der Lern- und Prüfungskultur an Schulen nicht mehr wegzudenken. Trotz vielfacher Bedenken hat der Einsatz des Taschenrechners bisher nicht zu einem Ende des mathematischen Denkens geführt, sondern vor allem zu kognitiv anspruchsvolleren und kompetenzorientierten Aufgabenstellungen.
Ebenso wird der Einsatz von KI-Textwerkzeugen nicht das Ende des Schreibens als Kulturtechnik bedeuten. ChatGPT kann als Inspirationsmaschine genutzt werden, um das leere Blatt Papier mit Stichpunkten, einer Gliederung oder Textbausteinen zu füllen. Dies ermöglicht einen neuen Zugang zum produktiven Schreiben im Unterricht oder auch in Prüfungen. Grundlage für die damit verbundene höhere Kompetenzstufe ist ein fundiertes semantisches und fachliches Wissen, das zunächst im Unterricht erarbeitet werden muss. Es ist somit davon auszugehen, dass es in einigen Jahren - ähnlich wie in Mathematik - auch im Fach Deutsch einen hilfsmittelfreien Teil und einen Prüfungsteil mit Chatbots in der Abiturprüfung geben wird.
II.5 Eigene Unterrichtsbeispiel mit KI
Im Mathematikunterricht der Klasse 7b haben sich die Schüler*innen die Division von Brüchen (Thema der 6. Klasse) von ChatGPT erklären lassen und anschließend den erzeugten Text fachlich bewertet. Ein wichtiges Unterrichtsziel war dabei, dass die Schüler*innen lernen, Prompt-Antworten kritisch zu reflektieren und ihre Rechercheergebnisse mit ihrem eigenen Wissen und ggf. mit Hilfe anderer Quellen zu überprüfen. Danach sollten sich die Schüler*innen drei Mathematikaufgaben zum Thema erstellen lassen – und die Lösung analog im Heft berechnen. Anschließend wurde ChatGPT um eine ausführliche Musterlösung der drei Aufgaben gebeten, wobei die Rechenwege zwischen Heft und Chatbot verglichen werden sollten.
Im Physikunterricht der Klasse 10a sollten sich die Schüler*innen von ChatGPT eine Methode beschreiben lassen, um die Höhe einer Schlucht aus einem Filmausschnitt von „Peppa Wutz“ zu bestimmen. Da der ChatBot ausschließlich mit Texten arbeitet, geht es hier vor allem um naturwissenschaftliches Textverständnis und die Bewertung der Inhalte. Die größte Herausforderung bei dieser Aufgabe besteht darin, im Dialog mit ChatGPT die zum Film passende experimentelle Messmethode über den entsprechenden Prompt herauszuarbeiten.
II.6 Lehrerfortbildung
Die Digitalisierung des Unterrichts und der Einsatz von KI wird nur dann erfolgreich sein, wenn damit auch ein Wandel der Lern- und Prüfungskultur verbunden ist. Diese Herausforderung sollte nicht als Einzelkämpfer, sondern idealerweise gemeinsam mit dem gesamten Kollegium angegangen werden.
Regen Sie deshalb Ihre Schulleitung an, einen pädagogischen (Halb-)Tag zum Thema Künstliche Intelligenz zu organisieren.Regen Sie deshalb Ihre Schulleitung an, einen pädagogischen (Halb-)Tag zum Thema Künstliche Intelligenz zu organisieren.
Nach einem Impulsreferat können z. B. in fachspezifischen Workshops die Chancen und Risiken des Einsatzes von KI diskutiert werden. Dabei sollte auch die Veränderung der Aufgaben-, Lern- und Prüfungskultur in die Diskussion einbezogen werden. Die Ergebnissicherung auf Postern und ein anschließender Rundgang durch die Poster-Galerie in der Aula mit Kaffee und Kuchen kann das gesamte Kollegium für das Thema KI motivieren.
Neben der fachspezifischen Nutzung muss ein solcher pädagogischer Tag auch die Entwicklung eines schulischen Gesamtkonzepts zum Umgang mit KI zum Inhalt haben. Für die Diskussion eignen sich die drei Perspektiven des Dagstuhl-Dreiecks:
1. Technologische Perspektive: Wie funktioniert KI?
2. Soziokulturelle Perspektive: Wie wirkt sich KI auf unsere Gesellschaft aus?
3. Anwendungsperspektive: Wie nutze ich KI-Werkzeuge?
II.7 Fazit: Unterricht mit KI
Das langfristige Ziel sollte sein, dass der kompetenzorientierte Einsatz von digitalen Medien und KI-Tools von Lehrer*innen nicht als Herausforderung gesehen wird, sondern zu einem selbstverständlichen Teil eines zeitgemäßen Unterrichts wird.
III.1 Einführung:
Der „heimliche Lehrplan“ ist bekanntlich das zu erfüllende Prüfungsformat. Vor diesem Hintergrund ist die Bedingung für das Gelingen der neuen Lernkultur, dass zunehmend auch offene, forschende und projektartige Aufgabenformate mit digitalen Medien Bestandteil der Leistungsbewertung werden.
Selbst die Kultusministerkonferenz fordert ein Umdenken bei der Leistungsbewertung in ihrer aktuellen Handreichung „Lehren und Lernen in der digitalen Welt“ [15]: „Im Wandel des Lehrens und Lernens in der digitalen Welt sind […] unter Nutzung digitaler Medien und Werkzeuge etablierte Prüfungsformate anzupassen sowie neue Prüfungsformate zu entwickeln.“
Doch welche Möglichkeiten gibt es derzeit, um das Spektrum der Leistungsnachweise im täglichen Unterricht zu erweitern? Wie können geeignete Prüfungsformate für digital gestützte und kooperative Leistungserhebungen aussehen? Bundesländer wie z. B. Bayern haben zu diesen Fragestellungen bereits groß angelegte Schulversuche etabliert, deren Ergebnisse gegen Ende des Schuljahres 2022/2023 vorliegen werden.
Im Unterricht des Autors gibt es derzeit drei Ansätze zur neuen Prüfungskultur: Die Integration von möglichst offenen Aufgaben am Tablet in traditionelle Klassenarbeiten, die Bewertung von digitalen Lernprodukten im Rahmen von mehrwöchigen Projektarbeiten und die kontinuierliche Lernprozessdiagnose ohne Notendruck mit Hilfe von Lernplattformen. Alle drei Zugänge können auch miteinander kombiniert werden.
III.2 Digitale Aufgaben in Klassenarbeiten
Eine traditionelle Klassenarbeit, bei der Schüler*innen ein vorher behandeltes Thema wie z. B. den Algorithmus zu den binomischen Formeln ohne Zugriff auf weitere Hilfsmittel so abliefern müssen, wie die Lehrkraft sich das vorstellt, hat mit den Anforderungen in der realen Berufs- und Arbeitswelt nur wenig zu tun. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob die Klassenarbeit statt auf Papier nun digital z. B. innerhalb einer Lernplattform geschrieben wird. Solange sich das Aufgabenformat des schriftlichen Leistungsnachweises nicht ändert, handelt es sich um ein digitales Konservieren der bestehenden Prüfungskultur.
Ein erster Schritt zur neuen Prüfungskultur sind hybride Klassenarbeiten. Diese bestehen aus traditionellen „Paper & Pencil“ Aufgaben ohne Hilfsmittel und Aufgaben zur Lösung mit dem Tablet. Die digitalen Aufgabenteile sollten dabei so angelegt sein, dass verschiedene Lösungswege möglich sind. Die Überwachung aller Schüler-Tablets während einer hybriden Klassenarbeit kann über die Classroom-App erfolgen: Die Bildschirme aller Schüler-Tablets sind auf dem Lehrer-Tablet sichtbar - bei Bedarf können einzelne oder alle Schüler-Tablets auch in den „Single-App-Modus“ gesetzt werden, bei dem nur die gewählte App auf dem Tablet bedienbar ist. Die Ergebnisse der digitalen Aufgaben werden von den Schüler*innen über die Classroom-App auf das Lehrer-Tablet gesendet. Zur Dokumentation und Korrektur werden die digitalen Ergebnisse zusätzlich auf dem Tablet-Drucker im Klassenzimmer ausgedruckt und mit den analogen Aufgaben abgegeben.
Digitale Aufgabenbeispiele aus Klassenarbeiten des Autors:
Eine Alternative zu den skizzierten digitalen Teil-Aufgaben sind Klassenarbeiten komplett im „Open Book“ Format. Hierbei haben die Schüler*innen Zugriff auf alle Schulhefte, Schulbücher, Apps und auch das Internet. Bei „Open Book“ Klassenarbeiten wird weniger der Umgang mit Reproduktionswissen abgefragt, sondern viel mehr die Kompetenz geschult, geeignetes Wissen aus einer Vielzahl von Quellen zu finden sowie Probleme z. B. mit Hilfe von verfügbaren Apps auf Basis des Gelernten zu lösen. Die Herausforderung beim „Open-Book“ Format für Lehrer*innen besteht darin, eine thematisch passende offene Aufgabenstellung für den zeitlichen Rahmen einer Klassenarbeit (45 - 90 Minuten) zu finden, sowie die Lösungswege der Schüler*innen transparent und vergleichbar zu bewerten.
III.3 Bewertung von digitalen Projektarbeiten
Digitale Projektarbeiten finden über mehrere Wochen hinweg sowohl im Unterricht als auch als Hausaufgabe im erwähnten „Open Book“ Format statt. Voraussetzung für die Chancengerechtigkeit ist dabei, dass alle Lernenden ein einheitliches digitales Endgerät zum Lernen und Arbeiten für den Zeitraum der Projektarbeit besitzen. Besonders einfach lassen sich digitale Projekte deshalb in Tablet-Klassen realisieren.
Die Grundlage für eine transparente Notengebung des innerhalb des Projekts entstehenden Lernprodukts ist ein Erwartungshorizont. Dieser gibt den Lernenden während der eigenständigen Erarbeitungsphase Orientierung und enthält objektive Bewertungskriterien. Der Erwartungshorizont kann vom Lehrenden vorgegeben, oder von den Schüler*innen am Anfang des Projekts in Gruppenarbeit auch selbst entworfen werden.
Neben der kriteriengeleiteten Lehrer-Bewertung des Lernprodukts kann bei Projektarbeiten auch die Bewertungskompetenz der Schüler*innen mit „Self- & Peer-Feedback“ gefördert werden. Zur zeitlich effektiven Einholung des umfangreichen Feedbacks aller Mitschüler*innen zu einem präsentierten Lernprodukt sollte ein digitales Live-Feedback-Tool eingesetzt werden.
Zur Begründung der finalen Lehrer-Note kann anstatt eines langen Textes auch Audio-Feedback eingesetzt werden. Mit einer aufgezeichneten verbalen Rückmeldung ist es als Lehrer*in möglich die Bewertung intensiver zu begründen und dabei auch mögliche Abweichungen zwischen Lehrer-, Selbst- und Mitschüler-Bewertung zu thematisieren.
Digitale Projektbeispiele aus dem Unterricht des Autors:
III. 4 Digitale Lernprozessdiagnose
Die Lernprozessdiagnose im Unterricht gilt als eine wirksame Methode zur Optimierung des Lernerfolgs im Klassenzimmer. Gründe für die doch eher selten angewendete systematische Diagnose im täglichen Unterrichtsgeschehen sind der hohe zeitliche Aufwand, der Anspruch an eine detaillierte individuelle Rückmeldung und der hohe Materialbedarf für eine individuelle Förderung anhand der Diagnoseergebnisse.
Abhilfe können hier adaptive Lernplattformen zur formellen Lernprozessdiagnose schaffen, die eine effiziente Durchführung, eine automatisierte Diagnostik sowie eine übersichtliche Rückmeldung ermöglichen und zum Ergebnis passende adaptive Fördermaterialien zur Verfügung stellen [6]. Durch eine solche prozessbezogenen Lerndiagnose können vor der eigentlichen Klassenarbeit Schüler*innen individuell beraten und problematische Aufgaben mit der gesamten Klasse im frontalen Lehrer-Schüler-Gespräch thematisieren werden. Zu beachten ist, dass es sich bei Lernplattformen meist um die Abfrage von Reproduktionswissen handelt und es nicht auf die formal richtige Darstellung des Rechenweges, sondern meist nur auf die Nennung des einen richtigen Ergebnisses ankommt.
Digitale Lernprozessdiagnose im Unterricht des Autors:
Durch neue Technologien wie die künstliche Intelligenz wird es in naher Zukunft einen rasanten Entwicklungsfortschritt zur optimalen formellen Lernprozessdiagnose und der davon abhängigen passgenauen personalisierten Förderung im Klassenzimmer geben. Digitale Medien bieten somit einen vielversprechenden Zugang, um Diagnosemethoden zeitlich effizient in den täglichen Unterricht einzubauen.
III. 5 Kombination der neuen Prüfungsformate
Die drei Zugänge zur neuen Prüfungskultur können zunächst unabhängig voneinander durchgeführt werden. Noch sinnvoller ist es allerdings alle drei Möglichkeiten zu kombinieren: Innerhalb einer Projektarbeit kann zunächst der Lernprozess zu den neuen fachlichen Inhalten digital diagnostiziert werden. Die fachlichen Inhalte der im Klassenzimmer präsentierten Lernprodukte lassen sich auch als analoge oder digitale Teilaufgabe in die folgende Klassenarbeit integrieren.
Der Digitalisierungsschub, den das Bildungssystem in den letzten beiden Jahren durch die Corona-Krise erhalten hat, darf im Schulalltag nicht wieder versanden.
Die Digitalisierung des Unterrichts wird nur dann erfolgreich sein, wenn neben der funktionierenden 1:1 Tablet-Ausstattung zum zeit- und ortsunabhängigen Lernen für alle Schüler*innen z. B. ab Klasse 8 auch ein Wandel der Lern- und Prüfungskultur angestrebt wird: Weg von der Fokussierung auf Faktenwissen und hin zu einer Förderung von „21st century skills“.
Dabei darf die schulische Bildung nicht für Zwecke der Berufs- und Arbeitswelt 4.0 instrumentalisiert werden. Auch im digitalen Zeitalter muss das Bildungsziel die umfassende Persönlichkeitsentwicklung der Schüler*innen zu selbstständigen, kritikfähigen, wertebewussten, verantwortungsvollen und medienmündigen jungen Menschen bleiben.
Der langjährige Weg zur digitalen Schule mit dem Ziel des wirkungsvollen, kompetenzorientierten und personalisierten Unterrichts mit Integration von neuen Lern- und Prüfungsformaten erfordert ein hohes Maß an Engagement jeder einzelnen Lehrkraft, viel Kommunikation mit der gesamten Schulgemeinschaft sowie eine große Bereitschaft zur Kooperation im Kollegium. Der Weg ist arbeitsintensiv und steinig - aber er lohnt sich!
Wirkungsvoller Medieneinsatz
Wissenschaftlich wurde im Rahmen einer Metastudie gezeigt, dass digitale Medien im MINT-Unterricht bei Schülerinnen und Schülern zu einer höheren Motivation und zu besseren Schulleistungen führen [1].
Einhaltung von vier Hinweisen
Die positive Wirkung hängt stark davon ab, wie die Medien in den alltäglichen Unterricht integriert werden. Aus den Forschungsergebnissen wurden am Friedrich-Gymnasium Freiburg vier Anforderungen für den 1:1 Schüler-Tablet-Einsatz abgeleitet.
1. Zeitlich begrenzter Einsatz
Einsatz digitaler Medien nur mit zeitlicher Begrenzung.
- Schüler-Tablets sind Ø nur die Hälfte der Unterrichtszeit aktiv.
- Klare Routinen wie "Tablet zu" zur Reduzierung der Ablenkungsgefahr (Tiefenst.: Klassenführung).
- Begrenzte digitale Heftführung, Verzicht auf E-Books, analoge Lernzeiten ohne KI-Assistenz.
2. Methoden und Materialien
Digitale Medien als sinnvolle Erweiterung / Ergänzung von analogen Methoden und Lernmaterialien.
- Nutzung von wenigen, aber kognitiv aktivierenden Apps (Tiefenstruktur: kognitive Aktivierung).
- Sinnvolle Kombination aus digitalen und anlaogen Zugängen zu Unterrichtsthemen.
- Kompetenzförderung mit Apps & KI-Tools statt Drill & Practice.
3. Kooperatives Lernen
Einsatz digitaler Medien in kooperativen Lernformen zur Förderung der Kommunikation.
- Nutzung von Lernplattformen und Apps z. B. in Partnerarbeit.
- Gezielter Einsatz von KI-Tools zur Ko-Konstruktion.
4. Lehrkräftefortbildung
Einsatz digitaler Medien nur in Begleitung von professionell geschulten Lehrkräften.
- Regelmäßige 15-minütige Mikro-Fortbildungen bottom up.
- Analoge Social-Media-Wall mit KI-Tool und App Empfehlungen.
Die von uns bezeichneten „4 Gebote“ für den wirkungsvollen Medieneinsatz hängen sichtbar als Plakat im Lehrerzimmer und liegen den Lehrenden als Postkarte vor. Die vier Hinweise wurden aufgrund der technischen Entwicklung bereits zwei mal überabreitet (Version 1: 2017, Version 2: 2020 für den Fernunterricht, Version 3: 2024 für die Integration von KI).
Technik und Pädagogik
Die neuen technischen Möglichkeiten sollten nicht nur dazu genutzt werden, um traditionelle Unterrichtsabläufe effektiver und schneller zu erreichen. Das Ziel ist die Erschließung von völlig neuen pädagogischen Möglichkeiten im Unterricht. Die Erfahrung am Friedrich-Gymnasium Freiburg zeigt, dass viele KollegInnen das Lehrer-Tablet zunächst nur nutzen, um bekannte Tätigkeiten zu digitalisieren (z. B. den Tafelaufschrieb). Erst mit der zunehmenden Erfahrung und Sicherheit im Umgang mit der Technik werden neue Unterrichtsformen entdeckt und mit der Klasse erprobt. Die pädagogischen Entscheide hängen somit von den vorhandenen technischen Möglichkeiten und der Unterrichtserfahrung ab. Slogans wie "Pädagogik vor Technik" machen nur wenig Sinn. Technik und Pädagogik müssen immer Hand in Hand gehen und können in einem schulischen Veränderungsprozess nicht getrennt werden [2].
Die Mischung macht´s
Zeitgemäßer Unterricht sollte immer ein ausgewogenes Zusammenspiel von digital & analog, von Lernraum & Klassenzimmer, von Kompetenzorientierung & Übungsaufgabe sowie von Tablet & Kreidetafel sein. Lernen kann nur dann gut funktionieren, wenn ein respektvolles Lehrer-Schüler-Verhältnis vorhanden ist – digitale Medien sind dabei nur als Hilfsmittel im Lernprozess zu sehen.
Problem: Reproduktion von Wissen mit digitalen Medien
Digitale Medien machen den Unterricht nicht automatisch besser: Die Digitalisierung des Unterrichts wird derzeit oft nur lediglich dafür eingesetzt, um bestehende Unterrichtsabläufe und Materialien durch digitale Möglichkeiten zu erweitern oder zu ersetzen. Statt Schulbuch ebook, statt Hefteintrag Tablet-Notiz, statt Lehrervortrag Erklärvideos und Flipped-Classroom sowie statt Übungsheft Lernplattform. Es handelt sich oft nur um ein digitales Konservieren der etablierten traditionellen Lernkultur [3]. Zeitgemäße Bildung muss deutlich mehr bedeuten als die neuen digitalen Möglichkeiten über bekannte Konzepte zu „stülpen“.
Ziel: Förderung der "21th century skills" (4K)
Das Potential des wirkungsvollen Einsatzes von mobilen Endgeräten im Unterricht liegt weniger in der Reproduktion von Wissen, sondern viel mehr in der Förderung und Stärkung von Kompetenzen wie Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritischem Denken (4K-Modell). Hierzu ist eine Verknüpfung von mobilen Endgeräten mit individuellen, forschenden, kreativen und projektartigen Arbeitsaufträgen ein gangbarer Weg. Der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht ist immer dann sinnvoll, wenn sich die Schüler*innen damit konstruktivistisch sowie aktiv und nicht lehrerzentriert mit den Lerngegenständen auseinandersetzen. Zeitgemäße Bildung kann somit gleichgesetzt werden mit einem Wandel der Lernkultur von der Fokussierung auf Faktenwissen hin zu einer Förderung von Kernkompetenzen für das 21. Jahrhundert [4].
Die Mischung macht`s: Reproduktion & Kompetenzorientierung
Das Allheilmittel für guten Unterricht ist die ausschließliche Kompetenzorientierung allerdings auch nicht. Schule braucht beides: Auf der einen Seite die Wissensaneignung im Klassenverbund und auf der anderen Seite kompetenz- und projektorientierte Aufgabenstellungen zum eigenständigen Arbeiten. Das richtige Verhältnis aus Tradition und Innovation muss dabei ständig ausgelotet werden. Im Unterricht des Autors gibt es z. B. in jedem Unterrichtsfach pro Halbjahr eine Projektarbeit in einem zeitlichen Umfang von bis zu vier Wochen. Neben den fachlichen Inhalten werden dabei vor allem Kompetenzen zum eigenverantwortlichen Lernen gefördert. Die Methode des Projektlernens wird zu Beginn jedes Schuljahres sowohl mit den Schüler*innen diskutiert als auch beim Elternabend vorgestellt. Die während der Projekte entstandenen Lernprodukte werden individuell benotet (auch bei Teamarbeit) und zählen so viel wie eine normale Klassenarbeit.
Beispiel: Einsatz von Erklärvideos & Flipped-Classroom
Auf YouTube stehen zahlreiche Filme zur Verfügung, bei denen engagierte Lehrerinnen und Lehrer z. B. am Whiteboard frontal das Lösungsprinzip einer Mathematik-Aufgabe nach der anderen erklären. Methodisch verknüpft werden solch traditionelle Lehrformen dann auch noch mit Konzepten wie „Flipped-Classroom“. Egal ob analog oder digital: Die wesentliche Methode bleibt das stumpfe Üben. Zahlreiche prozessbezogene Kompetenzen und das Verständnis bleiben auf der Strecke. Mit solch traditionellen Zugängen kann das Potential von digitalen Medien im Unterricht nicht ausgeschöpft werden. Einige engagierte Lehrerinnen und Lehrer setzen das Konzept Flipped-Classroom bewusst so ein, dass ihr gesamter Unterricht „umgekrempelt“ wird. Ein großer Teil der Vorbereitungszeit für den Unterricht wird dabei für die Produktion der eigenen Videos verwendet. Wäre es nicht viel sinnvoller, die knappe Lehrer-Arbeitszeit in Materialien und Methoden zu investieren, um die fachlichen Inhalte im Klassenzimmer kollaborativ, kompetenzorientiert und forschend-entdeckend erarbeiten zu lassen? Natürlich hat die Methode „Flipped-Classroom“ hat auch Vorteile: So arbeiten die Schülerinnen und Schüler selbstständiger und eigenverantwortlicher. Es spricht deshalb nichts dagegen das Konzept als methodische Variation z. B. einmal im Monat im Unterricht einzusetzen.
Differenzierung: Kompetenzorientiert & digital
Durch eine offen formulierte und digital angereicherten Aufgabenstellung z. B. im Rahmen einer Projektarbeit können in heterogenen Lerngruppen sowohl leistungsschwache als auch leistungsstarke Lernende entsprechend ihrem Vorwissen und ihrem Leistungsvermögen gefördert werden. Schülerinnen und Schüler erleben dabei einen hohen Grad an Handlungsorientierung, Kreativität und Selbstbestimmung. Die Verbindung von digitalen Medien mit offenen, kreativen und forschenden Aufgaben leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Individualisierung, Selbstdifferenzierung und fördert zahlreiche prozessbezogene Kompetenzen.
Sicht- und Tiefenstrukturen gelten auch für den digitalen Unterricht:
Empirische Forschungen zeigen, dass es weniger die Sichtstrukturen (Methoden, Sozialformen, Medien) als vielmehr die Tiefenstrukturen sind, welche für Unterrichtswirksamkeit von Bedeutung sind (Klieme 2019, Kunter & Trautwein 2013). Zu den Tiefenstrukturen zählen die drei Basisdeminsionen: eine gute Nutzung der Unterrichtszeit, eine kognitive Aktivierung der Lernenden und eine motivationale und verständnisorientierte Förderung der einzelnen Schülerinnen und Schüler. In einer weiteren Studie konnte gezeigt werden, dass die ursprünglich für den analogen Unterricht identifizierten drei Basisdimensionen auch für den digitalen Unterricht relevant sind (Fütterer et al. 2022).
Förderung der Basisdimensionen mit digitalen Medien:
Digitale Medien können dazu beitragen, die drei Basisdimensionen im Unterricht zu fördern und damit auf der Ebene der Tiefenstrukturen etwas zu bewirken.
Projektunterricht Bottom-Up
Die digitalen Innovationsprozesse am Friedrich-Gymnasium Freiburg gehen entsprechend des „Bottom-Up“-Konzepts direkt von den „Innovators“ und „Early Birds“ im Kollegium aus. Das "Early-Bird-Lehrerteam" erprobt im Unterricht z. B. das eigenständige Lernen im Rahmen von mehrwöchigen digitalen Projektarbeiten. Schülerinnen und Schüler lernen dabei individuell, selbstbestimmt, kollaborativ sowie zeitlich und örtlich flexibel.
Das gesamte Kollegium mitnehmen
Die Herausforderung besteht darin, die „Late Majority“ im Kollegium immer wieder mit Hilfe von praxiserprobten digitalen Unterrichtsbeispielen zu überzeugen. Um alle Lehrer*innen auf dem Weg zum kompetenzorientierten digitalen Unterricht mitzunehmen, gehören fächerübergreifende Projektbeispiele bei jeder zweiten GLK, schulinterne Lehrerfortbildungen, Teamarbeit sowie eine Kultur des Teilens von Unterrichtsmaterial über die FG-Cloud zum Fundament der digitalen Schulentwicklung.
Unterrichtsbeispiele durch das Early-Bird-Team
Das Early-Bird-Lehrerteam zeigt z. B. im Rahmen von projektorientierten Unterrichtsformen, wie durch das Arbeiten mit digitalen Medien der Alltagsbezug, die Motivation, die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Schüler*innen gefördert werden kann. Aktuelle Unterrichtsbeispiele des Early-Bird-Teams werden immer mal wieder auf der Homepage des Friedrich-Gymnasiums Freiburg veröffentlicht: https://www.fg-freiburg.de/fg/seiten/unterricht-digital.php
Das Phänomen der Gang-Sitzer
Noch vor wenigen Jahren war es kein gutes Zeichen, wenn Lernende während der Unterrichtszeit allein oder zu zweit auf dem Gang vor dem Klassenzimmer saßen. Inzwischen sind die „Gang-Sitzer“ zum eigenständigen, kreativen und kollaborativen Arbeiten mit digitalen Medien alltäglich.
Eine neue Art des Lernens
Mit dem zunehmenden Digitalisierungsprozess an unserer Schule begann eine kontinuierliche Veränderung der Art des Lernens. Das Phänomen „Gang-Sitzer“ zeigt uns deutlich, dass bei kompetenzorientiertem und personalisiertem Projektunterricht mit digitalen Medien auch Lernräume jenseits des Klassenzimmers erforderlich werden. Die Gestaltung solcher Lerninseln und Lernräume und die damit verbundene Etablierung einer neuen Lernkultur ist das Ziel im 7. Schritt unseres Medienkonzeptes.
Schüler*innen-Projekt: Neuer Lernraum
Im Rahmen eines Unterrichtsprojekts haben wir zunächst unsere Schüler*innen gefragt, wie aus ihrer Sicht ein solch zeitgemäßer Lernraum in Form eines „Co-Learning Space“ aussehen müsste. Im Kunstunterricht entstanden zahlreiche Modelle, die bei der Realisierung wichtige Impulse geben.
Unterscheidung: Co-Learning-Space und Lern-Atelier
Die von uns geplanten Lernräume zum eigenständigen kollaborativen Arbeiten mit digitalen Medien in Einzel-, Partner-, und Gruppenarbeit unterscheiden sich deutlich vom Konzept der viel gelobten „Lern-Ateliers“ für die individuelle Stillarbeit. Von solchen Lernraumkonzepten, die momentan an einigen Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg entstehen, grenzt sich unser Vorhaben deutlich ab.
"New Work" erfordert "New Learning"
Vorbild für unsere Raumkonzeption sind die modernen „Co-Working Spaces“ der New-Work Bewegung zur Förderung der Kreativität, der Flexibilität und des Knüpfens von Kontakten. Beispiele für solch moderne Arbeitsplatzkonzepte finden sich mehrfach in unmittelbarer Nähe zur Schule: die Freiburger „Lokhalle“, das „Co-Work-Martinstor“ und der „Grünhof“.
Zukunftsplanung: Co-Learning Space
Derzeit werden zur Etablierung von neuen Lernräumen an der Schule die beiden Projekte „Schulflur als Lernraum“ und „Co-Learning Space“ verfolgt: Im ersten Projekt sollen die historischen Gänge der Schule mit schwer entflammbaren Sitzmöbeln (Bänke, Sofaecken, Unterteilungen) als Lernort aufgewertet werden. Diese Flur-Lerninseln können gerade von Schüler*innen in den Tablet-Klassen für kurzzeitige individuelle Arbeitsphasen genutzt werden, bei denen sich die unterschiedlichen Arbeitsgruppen nicht stören. Im zweiten Projekt soll der ehemalige und sehr große Klassenarbeits-Raum so umgestaltet werden, dass dieser als agiler Lernraum für kollaborative digitale Projektarbeiten genutzt werden kann. Als „Co-Learning Raumkonzept“ ist angedacht, die Dachnischen des Raumes zu einzelnen Lern- und Arbeitsinseln zu machen. An der hinteren Seite des Raumes könnte ein „Forum“ als Holztreppe in U-Form zum Sitzen, Liegen oder Diskutieren entstehen Die Mitte des Raumes soll mit leichten Sitzmöbeln als Markplatz flexibel gestaltbar bleiben.
Umsetzung des Lernraum-Projekts
Die Umsetzung eines solchen Co-Learning-Space-Projekts in einem denkmalgeschützten Schulgebäude kann in unseren Augen für viele Schulen wegweisend sein, da sie zeigen könnte, dass die Schaffung zeitgemäßer Lernräume keine Neu- oder Umbaumaßnahmen im großen Stil erforderlich macht, sondern sich auch in einen vorhandenen Baubestand integrieren lässt.
Quelle des Artikels:
P. Bronner: Lernprozessdiagnose mit digitalen Medien.
Zeitschrift "PÄDAGOGIK", Beltz Verlag, 04/2020.
1. Drei Bereiche zur Lerndiagnose im Unterricht
In der deutschsprachigen Literatur zur Lehr- und Lernforschung werden drei Diagnosebereiche unterschieden (Hußmann 2007). Der erste Bereich ist die Lernausgangsdiagnose. Hierbei wird das Vorwissen zu Beginn einer Lernphase ermittelt. Der zweite Bereich ist die Lernprozessdiagnose, unter der man die kontinuierliche Auswertung des Lernprozesses versteht, um das individuelle Lernen zu verbessern. Der dritte Bereich ist die Lernergebnisdiagnose zur Bestimmung der Schülerleistung am Ende der Lernphase. Der Charakter des gewählten Diagnosebereichs ist stark vom gewählten Zeitpunkt im Lernprozess abhängig. Für den Unterricht ist es wichtig, die drei Diagnosebereiche deutlich zu trennen. Ein Beispiel für die Vermischung von Lern- und Leistungssituationen ist ein Lehrer-Schüler-Gespräch, bei dem mündliche Noten erhoben werden. Es bedarf einer klaren, konsequenten und transparenten Trennung zwischen dem vorhandenen Lernraum und dem Leistungsraum.
Die internationale Lehr- und Lernforschung schreibt der formativen Diagnose ein großer Stellenwert zur Förderung des schulischen Lernerfolgs zu. In der Hattie-Studie von 2013 erreichte die formative Lernstandserhebung mit einer Effektstärke von d=0.90 den dritten Rang von insgesamt 138 Einflussgrößen zur Wirksamkeit auf den schulischen Lernerfolg (Hattie 2013).
2. Lernprozessdiagnose als Herausforderung
Die Lernprozessdiagnose gehört zu den zentralen Aufgaben einer Lehrkraft. In der Lehrerausbildung zählt die Diagnosekompetenz im Unterricht bereits seit dem Jahr 2004 zu einem curricularen Schwerpunkt: „Lehrerinnen und Lehrer diagnostizieren Lernvoraussetzungen und Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern, sie fördern Schülerinnen und Schüler gezielt und beraten Lernende und deren Eltern.“ (KMK 2004, S. 11). Trotzdem werden semiformelle oder formelle Methoden zur systematischen Diagnose im täglichen Unterrichtsgeschehen nur selten angewendet. Gründe dafür sind der hohe zeitliche Aufwand, der Anspruch an eine detaillierte individuelle Rückmeldung und der hohe Materialbedarf für eine individuelle Förderung anhand der Diagnoseergebnisse. Abhilfe könnten hier computerbasierte Verfahren zur formellen Lernprozessdiagnose schaffen, die eine effiziente Durchführung, eine automatisierte Diagnostik, eine übersichtliche Rückmeldung ermöglichen und zum Ergebnis passende adaptive Fördermaterialien zur Verfügung stellen.
3. Apps und Lernplattformen zur Diagnose
In Tablet-Klassen oder in Schulen mit einem BYOD (Bring Your Own Device) - Smartphone-Konzept können digitale Diagnoseinstrumente im Unterricht flexibel, effektiv und schnell eingesetzt werden. Zur Ermittlung des aktuellen Lernstandes eines jeden Schülers und jeder Schülerin sind zahlreiche Live-Feedback-Apps wie plickers, Kahoot!, Socrative, usw. verfügbar. Die genannten Systeme ermöglichen eine formelle Lerndiagnose mit unterschiedlichen Fragetechniken und motivationalen Faktoren.
Live-Feedback-Apps unterscheiden sich im Anwendungsumfang deutlich zu Lernplattformen wie z. Bettermarks oder MatheBattle für das Fach Mathematik oder OnlineDiagnose für die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch. Lernplattformen können zusätzlich zur formellen Diagnose auf die Testergebnisse abgestimmte Fördermaterialien zur Verfügung stellen.
Zu beachten ist, dass sich mit digitalen Medien aufgrund der automatisierten Auswertung nur geschlossene Aufgabentypen mit eindeutigen Antworten sinnvoll diagnostizieren lassen. Einen Überblick zu empirischen Studien, die sich mit der Entwicklung, der Implementierung und den Effekten der digitalen Lernprozessdiagnose in der Schule beschäftigen, bietet Maier (2014).
4. Datenschutz als elementare Anforderung
Bei der digitalen Diagnose im Klassenzimmer mit Live-Feedback-Apps und Lernplattformen werden persönliche Schülerdaten über einen längeren Zeitraum erhoben und gespeichert. Die Datenverarbeitung sowie Datenspeicherung der formellen Diagnoseergebnisse erfolgt nicht lokal auf dem Schulserver, sondern teilweise in weltweit verteilten Rechenzentren.
Live-Feedback-Apps wie z. B. plickers, Kahoot! oder Socrative dürfen im Klassenzimmer nur anonym eingesetzt werden. Bei jeder Durchführung müssen sich die Lernenden statt ihres Klarnamens einen neuen Fantasienamen ausdenken. Oder der Lehrer bzw. die Lehrerin müssen von vorn herein in der jeweiligen App die Möglichkeit der Nennung des Klarnamens ausschließen. Zudem dürfen während der Diagnose in die freien Textfelder der jeweiligen Anwendung keine personenbezogenen Daten eingegeben werden. Aufgrund des Datenschutzes darf mit den genannten Tools keine systematische Lernverlaufsdiagnose erfolgen. In 1:1-Tablet-Klassen ist zudem darauf zu achten, dass die Geräte z. B. nach jedem Schuljahr den Nutzer wechseln, da auch über die IP-Adresse des Gerätes Rückschlüsse auf den Lernenden möglich sind.
Lernplattformen wie z. B. Bettermarks verarbeiten und speichern über einen längeren Zeitraum personenbezogene Schülerdaten, weshalb sehr hohe Datenschutzanforderungen gestellt werden müssen. Zunächst ist zu prüfen, ob bei der Anwendung die EU Datenschutz-Grundverordnung (EU-DS-GVO) sowie die landesspezifischen Ausführungsgesetze erfüllt werden. Auch wenn die Server der Lernplattform in Deutschland stehen, dürfen die Schülernamen nur als Pseudonyme (z.B. Max Mustermann = FG8b14) vorliegen. Die Liste zur Zuordnung von Klarnamen und Pseudonym darf dabei nur der Schule bekannt sein und sollte handschriftlich geführt werden. Im Landesdatenschutzgesetz z. B. von Baden-Württemberg gelten Pseudonyme als personenbezogene Daten. Jede Schule bzw. jeder Schulträger muss daher mit dem Anbieter der jeweiligen Lernplattform einen individuellen Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung abschließen, der bis zu 15 Seiten umfassen kann. Im Datenschutzvertrag ist z. B. geregelt, dass die gewonnenen Schülerdaten und die Benutzeraccounts vom Anbieter der Lernplattform jeweils zum Ende eines jeden Schuljahres automatisch gelöscht werden. Zu Beginn des neuen Schuljahrs ist es deshalb erforderlich, jedem Schüler ein neues Pseudonym zuzuordnen und damit die Benutzerkonten neu anzulegen.
5. Kosten der digitalen Diagnose
Live-Feedback-Apps wie plickers, Kahoot! oder Socrative bieten eine kostenlose Basisversion mit eingeschränkten Funktionen an. Möchte man z. B. bei plickers mehr als vier Fragen zur Lernprozessdiagnose stellen oder Bilder einfügen, so ist die kostenpflichtige Pro-Version erforderlich. Das Upgrade pro Lehrerin bzw. pro Lehrer für jeweils ein Schuljahr liegt bei plickers bei ca. 64 € (Pro-Version), bei Kahoot! bei ca. 36 € (Pro-Version) bzw. 72 € (Premium-Version) und bei Socrative bei ca. 54 € (Pro-Version). Alle Anbieter bieten auch Jahreslizenzen für alle Lehrenden einer Schule an. Kahoot! verlangt z. B. zur schulweiten Nutzung der Pro-Version für eine Schule mit 50 Lehrerinnen und Lehrer pro Jahr 810 €. An der Schule des Autors werden alle genannten Live-Feedback-Apps in der kostenlosen Basisversion eingesetzt.
Lernplattformen wie Bettermarks verlangen pro Schüler und pro Schuljahr in der Schullizenz (für 200 oder mehr Lizenzen) 10 € und in der Klassenlizenz (einzelne Klassen einer Schule) 20 € pro Schüler und Schuljahr. OnlineDiagnose verlangt pro Klasse und Fach zwischen 19 € und 39 € (Abruf der Preise am 09.01.2020).
6. Vergleich: Funktionen von drei Live-Feedback-Apps
Einen Überblick über die Funktionen der an der Schule des Autos verwendeten Live-Feedback-Apps zur formellen Lernprozessdiagnose bietet Tabelle 2. Plickers ist die einzige Anwendung, die ohne Schüler-Endgeräte genutzt werden kann. Die Lernenden halten zur Abstimmung der vier Antwortmöglichkeiten einen QR-Code mit der entsprechend richtigen Seite nach oben. Der Vorteil von Kahoot! ist der spielerische Zugang zur Lerndiagnose über einen Wettbewerb, bei dem neben der richtigen Lösung auch die Zeit bis zur Abgabe der Antwort eine Rolle spielt. Die Stimmung im Klassenzimmer kann dabei – auch aufgrund der anfeuernden Musik - so emotional werden, dass eine ernsthafte Nachbesprechung des Ergebnisses jeder einzelnen Frage aufgrund der hohen Motivation sehr schwierig werden kann. Bei einem zu häufigen Einsatz kann sich Kahoot! als Diagnoseverfahren auch sehr schnell abnutzen. Das sinnvollste Tool zur ernsthaften Lernprozessdiagnose ist Socrative. Neben den freien Textantworten ist eine ausführliche, übersichtliche und individuelle Lernprozessdiagnose möglich.
7. Lernplattform: Funktionsumfang zur Diagnose und Förderung
Lernplattformen bieten je nach Anbieter sehr unterschiedliche Funktionen und Leistungen. Im Folgenden wird exemplarisch die an der Schule des Autors verwendete Lernplattform Bettermarks zur formellen Lernprozessdiagnose und Förderung im Fach Mathematik vorgestellt. Lehrerinnen und Lehrer können bei Bettermarks über die verfügbare Aufgabensammlung individuelle Arbeitsblätter selbst zusammenstellen und diese den Schülerinnen und Schülern individuell digital zuweisen. Die Lernenden werden bei der Lösung des Arbeitsblattes am Tablet durch gestufte Hilfen, Erklärungen und diagnostische Rückmeldungen konstruktiv unterstützt. Der Lehrer sieht, wie zielführend die ganze Klasse oder jeder Schüler einzeln das digitale Arbeitsblatt gelöst hat. In einzelnen mathematischen Bereichen wie z. B. der Bruchrechnung ist die Lernplattform bereits in der Lage, bei wiederkehrenden systematischen Fehlern Wissenslücken automatisch zu diagnostizieren. Nach der Diagnose generiert die Lernplattform eigenständig individuelle Aufgabenblätter zum Schließen der Wissenslücken. Sowohl dem Lehrer wie auch dem Schüler wird unmittelbar angezeigt, ob Wissenslücken existieren und vor allem ob die Wissenslücken von den Lernenden durch die zusätzlichen Übungsaufgaben eigenständig geschlossen wurden. Zur weiteren Lernprozessdiagnose kann jedes Arbeitsblatt nicht nur im Übungs-Modus, sondern auch im Test-Modus den Lernenden zugewiesen werden. Im Test-Modus erhalten die Schülerinnen und Schüler keine Hilfen, können den fachlichen Inhalt nicht nachschlagen und das Aufgabenblatt nicht wiederholen. Nach dem Ablauf der vorgegeben Bearbeitungszeit des Tests wird jedem Lernenden und dem Lehrer unmittelbar der Lernerfolg in Prozent angezeigt. Über die sofort verfügbare digitale Korrektur kann der Schüler Rechenfehler in jeder einzelnen Aufgabe selbstständig nachvollziehen. Mit dem erreichten Testergebnis können die Schüler zur weiteren Förderung z.B. eines von drei binnendifferenzierten Arbeitsblättern (0-40%, 40-80% oder 80-100%) bearbeiten, die jedoch zuvor vom Lehrer zusammengestellt werden müssen. Bei einer regelmäßigen Anwendung der Lernplattform im Unterricht kann der Lernprozess mit Hilfe einer Lernverlaufskurve sichtbar gemacht werden. Beim Beratungsgespräch mit dem jeweiligen Schüler oder den Eltern steht damit ein detaillierter Lernverlauf z. B. über das letzte halbe Jahr zur Verfügung. An der Schule des Autors wird die Lernplattform nur als Lernmittel ohne Leistungsdruck eingesetzt.
8. Fazit und Ausblick
Die semiformelle und formelle Lernprozessdiagnose im Unterricht gilt als eine wirksame Methode zur Optimierung des Lernerfolgs im Klassenzimmer. Digitale Medien bieten einen vielversprechenden Zugang, um Diagnosemethoden zeitlich effizient in den täglichen Unterricht einzubauen. Adaptive Lernsysteme können aus den Diagnoseergebnissen selbstständig Fördermaterialien erstellen, die optimal auf den Lernstand eines jeden Schülers angepasst sind. Durch neue Technologien wie die künstliche Intelligenz wird es in naher Zukunft einen rasanten Entwicklungsfortschritt zur optimalen formellen Lernprozessdiagnose und der davon abhängigen passgenauen individuellen Förderung im Klassenzimmer geben.
Lernen kann auch im digitalen Zeitalter nur dann gut funktionieren, wenn ein respektvolles Lehrer-Schüler-Verhältnis vorhanden ist – digitale Medien dürfen deshalb nur als Hilfsmittel im Lernprozess gesehen werden. Es zeigt sich trotz der vielversprechenden digitalen Möglichkeiten, dass es auch weiterhin auf den kompetenten, begeisterten, emphatischen und motivierten Lehrer ankommt.
Literatur:
Quelle des Artikels:
P. Bronner: Einsatz von stumme Videos zur Kompetenzförderung.
Schweizer Bildungsplattform TeachOZ, 25.02.2020
1. Kurz und knapp
Eine Methode, die vor allem die Kommunikation und viele weitere prozessbezogene Kompetenzen fördert, ist das Üben durch die Nachvertonung eines stummen Videos [10]. Zunächst müssen die Lernenden in Partnerarbeit ein Redemanuskript handschriftlich verfassen. Im Anschluss wird der Text z. B. innerhalb der App iMovie im Team passend zum Video eingesprochen. Zur Binnendifferenzierung können gute SchülerInnen h5p Inhalte in das Video integrieren. Am Ende des Projekts erfolgt eine Fremd- und Selbstbewertung durch die SchülerInnen gegenseitig.
2. Ablauf des Projekts
Ein Beispiel für den Einsatz eines stummen Videos ist die Bestimmung der Leistung P im Physikunterricht. Vor dem Unterricht nimmt der Lehrer das Messverfahren als Film auf und löscht die Tonspur. Das fertige stumme Video wird den Schülerinnen und Schülern über die Schul-Cloud zur Verfügung gestellt. Zur Nachvertonung müssen die Lernenden zunächst in Partnerarbeit ein Redemanuskript handschriftlich verfassen. Im Anschluss wird der Text z. B. innerhalb der App iMovie im Team zum Video eingesprochen. Falls die Textlänge zeitlich nicht passend ist, kann die Geschwindigkeit des stummen Filmes an das Redemanuskript beliebig angepasst werden. Zur Förderung der Bewertungskompetenz werden die fertigen Videos mit Methoden der Fremd- und Selbstbewertung durch die SchülerInnen gegenseitig beurteilt. Nach dem Projekt wird das erlernte Wissen auf ein reales Schülerexperiment zur Bestimmung der Leistung P in einer Reihen- und Parallelschaltung übertragen.
3. Kompetenzförderung mit stummen Videos
Stumme Videos dienen in den MINT-Fächern vor allem zur Übung der Unterscheidung von Alltags- und Fachsprache. Zur Förderung des kooperativen Arbeitens muss jedes Video von den Schülerinnen und Schülern im Sprecherteam nachvertont werden. Gleichzeitig kann bei der Aufgabe auch die Heterogenität berücksichtigt werden. Schnelle Partnergruppen können kreative Elemente wie einen Vor- oder einen Nachspann in den Film einfügen. Sehr leistungsfähige Schülerinnen und Schüler können das Video über die schulinterne Plattform h5p um interaktive Elemente erweitern. Am Ende des Projekts erfolgt eine Leistungsbewertung mit der Förderung der Bewertungskompetenz (Selbst- und Fremdbewertung).
4. Die Mischung macht es
Die Methode des „stummen Videos“ darf auf keinen Fall das reale Schülerexperiment komplett ersetzen. Im Unterricht vor dem Videoprojekt haben die SchülerInnen experimentell gelernt, wie mit dem Multimeter gemessen wird. Auch nach dem Videoprojekt geht es wieder zum Realexperiment über. Guter Unterricht stellt immer ein Methoden- & Medienmix aus bewährten und innovativen Lehr- und Lernkonzepten dar. Wenn digitalen Medien eingesetzt werden, so sollte diese so häufig wie möglich mit schüleraktivierenden und kooperativen methodischen Ansätzen verknüpft werden [2]. Zeitgemäßer Unterricht ist im Idealfall immer ein ausgewogenes Zusammenspiel von digital & analog, von Lernraum & Klassenzimmer, von Kompetenzorientierung & Übungsaufgabe, von Projektarbeit & Individualarbeit sowie von Tablet & Kreidetafel.
5. Übertragung auf andere Fächer
Die Methode „stumme Videos“ lässt sich in allen Fächern und in allen Klassenstufen der Sekundarstufe I einsetzen. In Geschichte können z. B. Teile von alten Nachrichtensendungen nachvertont werden. In Englisch, Französisch oder Spanisch können z. B. Werbefilme für Touristen zur jeweiligen Hauptstadt in der Fremdsprache vertont werden.
Material
Quelle des Artikels:
P. Bronner: Die Corona-Krise als Chance.
Zeitschrift "Gymnasium Baden-Württemberg", PhV BW, 07/2020.
Einführung
In der Corona-Krise wurden die Schulen mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert und haben trotz der teils mangelhaften digitalen Ausstattung wertschätzende Rückmeldungen erhalten.
Von Schulleitungen und IT-Administratoren mussten viele Fragen geklärt und Kompromisse gefunden werden: Welche digitalen Kommunikationswege, Lernplattformen und Videokonferenz-Systeme können im Fernunterricht eingesetzt werden? Wie verbindlich soll ein schulweit einheitliches Vorgehen mit einer festen Tagesstruktur vorgegeben werden? Was wiegt in der Not-Situation mehr: Der Bildungsauftrag mit persönlichem Kontakt oder der Datenschutz? Welche Qualitätskriterien müssen in Videokonferenzen für einen erfolgreichen Lernprozess beachtet werden? Wie können sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler persönlich erreicht und lernförderlich begleitet werden?
Planung eines Fernunterricht-Konzepts 2.0
Es darf bei einem erneuten Lockdown keine weitere Lernzeit verloren gehen. So wie jede Schule ein individuelles Hygiene- und Abstandskonzept erarbeiten musste, so sollte auch ein pädagogisches Fernunterrichts-Konzept 2.0 zum Pflichtprogramm jeder Schule gehören. Das einheitliche Vorgehen muss Regeln, Rituale und Verbindlichkeiten vorgeben, aber auch pädagogische Freiheiten beinhalten. Als Verbindlichkeit darf der direkte Lehrer-Schüler-Kontakt im Fernunterricht nicht abreisen. So sollten z. B. synchrone Lernphasen mit Videokonferenzen in jedem Hauptfach mindestens einmal wöchentlich zum Standard gehören.
Perspektiven für eine nachhaltige Schulentwicklung
Im Folgenden werden sieben Perspektiven des Online-Unterricht in der Corona-Zeit herausgegriffen, die Ideen und Anregungen sowohl für den Fernunterricht 2.0 als auch für eine nachhaltige digitale Schulentwicklung beinhalten können.
Perspektive I) Didaktik des Fernunterrichts
Die positive Wirkung digitaler Medien hängt stark davon ab, wie diese in den Lernprozess integriert werden. Vorteilhaft im Präsenzunterricht ist ein zeitlich begrenzter Einsatz, die Verknüpfung mit kooperativen Lernformen, die Begleitung durch professionell geschulte Lehrerinnen und Lehrer sowie die Verwendung nur als Ergänzung zu klassischen Unterrichtsmaterialien und Methoden [1]. Die vier empirisch fundierten Qualitätskriterien für den wirkungsvollen Medieneinsatz im Klassenzimmer können auch auf den Fernunterricht übertragen werden und hier Orientierung geben.
Perspektive: II) Corona-Test fürs Medienkonzept Die derzeit entwickelten Medienkonzepte zur Beantragung von Geldern aus dem Digitalpakt sollten mit den Erfahrungen aus der Corona-Zeit von allen Schulen und Schulträgern reflektiert und überarbeitet werden. Hat Ihr Medienkonzept den Corona-Test (drei Fragen siehe unten) bestanden?
Während des Fernunterrichts wurde vielen Schulen vor Augen geführt, dass teure und unflexible Medientische mit Computer, Dokumentenkamera und interaktiver Tafel in den Klassenzimmern für das orts- und zeitunabhängige Lernen völlig ungeeignet sind. Lehrer- und Schüler-Tablets erfüllen diese Anforderungen und sollten zum Zentrum des Medienkonzepts gemacht werden. Die verlässliche Betreuung des IT-Systems der Schule und aller Endgeräte muss dabei zentral über ein Support-Konzept des Schulträgers erfolgen.
Perspektive III) Aufgabenkultur im Fernunterricht
Im Fernunterricht zeigte sich nach den ersten Wochen deutlich, dass ein „Drill“ mit klassisch geschlossenen Aufgaben auf hunderten von Arbeitsblättern nicht mehr zeitgemäß ist. Ebenso unpassend erschien es, die analogen Übungsaufgaben über digitale Lernplattformen mit sofortigem Feedback bereitzustellen. Das Potential des digital angereicherten Unterrichts liegt weniger in der Erarbeitung von neuem Wissen über Erklärvideos oder dem stumpfen Üben auf Lernplattformen, sondern vor allem in der Förderung und Stärkung von Kompetenzen. Gefragt sind kreative und offene Aufgabenformate, die im Alltag zu Hause ohne intensive Betreuung der Eltern durchgeführt werden können:
Perspektive IV) Wechselunterricht mit digitalen Medien
Ein anderes Szenario ist der Wechselunterricht: Zur Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln müssen die Klassen in zwei Gruppen aufgeteilt und in einem rollierenden System getrennt unterrichtet werden. Um die Unterrichtszeit möglichst sinnvoll und lernförderlich zu nutzen, verbinden einige Schulen die beiden Gruppen in den Hauptfächern direkt per Videokonferenz.
Im kontakt- und bewegungseingeschränkten Präsenzunterricht sind zur Einhaltung des Sicherheitsabstandes Teamarbeit, Gruppenarbeit und viele andere kreative und kommunikative Methoden nicht zulässig. Didaktisch wird es deshalb auf einen fragen-entwickelnden Frontalunterricht hinauslaufen. Mit Hilfe von digitalen Medien sind auch im Distanzunterricht Methoden wie Kooperation, Feedback, Kreativität und Kollaboration jenseits von frontalen Lehr- und Lernmethoden zeitgleich mit beiden Gruppen möglich [8].
Perspektive V) Bildungs- und Chancengerechtigkeit
Damit Schülerinnen und Schüler auf ihrem Bildungsweg aufgrund der Corona-Krise nicht massiv benachteiligt werden, bedarf es im Fernunterricht 2.0 verschiedener Maßnahmen zur Wahrung der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit.
Das Land Baden-Württemberg hat am 15. Mai 2020 beschlossen 300.000 Endgeräte für Schulen mit Unterstützung durch den Bund zu finanzieren. Damit können in einer folgenden Corona-Welle 20% der SchülerInnen in Baden-Württemberg mit einem Leihgerät ausgestattet werden. Für eine nachhaltige Verwendung der Tablets und Laptops im Unterricht ist eine professionelle Betreuung über eine Mobilgeräteverwaltung, eine WLAN-Infrastruktur, fortgebildete Lehrerinnen und Lehrer und die Integration in das Medienkonzept der Schule zwingend erforderlich.
Einige Schulen in Baden-Württemberg haben zur Wahrung der Chancengerechtigkeit bereits während der ersten Corona-Welle „Study-Halls“ eingerichtet. Dabei wurde z. B. die Aula mit einer begrenzten Anzahl von Einzeltischen auf Distanz sowie getrennten Ein- und Ausgängen zum Stillarbeitsraum umfunktioniert. Die SchülerInnen haben im Rahmen des Study-Hall-Konzepts Zugang zu Tablets, Büchern, WLAN und Druckern. Study-Halls sind Orte zum Lernen für Schülerinnen und Schüler in der Notbetreuung, mit fehlenden Endgeräten, schlechter Daten-Verbindung oder sozialen Krisen zu Hause.
Perspektive VI) Einsatz von Videokonferenzen
In den letzten Wochen zeigte sich deutlich, dass auch im Fernunterricht die persönliche Begegnung und eine Präsenzzeit hochgeschätzt werden. Dank Videokonferenzen war es mit der ganzen Klassengemeinschaft trotz der Distanz möglich synchrones Lernen zu ermöglichen. Dabei konnte sogar eine gute persönliche Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern aufgebaut werden.
Seit Ende Mai 2020 werden mit BigBlueButton (BBB) über die Moodle-Instanz des Landes Baden-Württemberg und mit Jitsi über die EduPool-Accounts der Kreismedienzentren in BW zwei datenschutzkonforme Open-Source Videokonferenzsysteme angeboten.
Perspektive VII) Eigenverantwortung im Lernprozess
Eine Herausforderung für Schülerinnen und Schüler im Fernunterricht war die Notwendigkeit zur persönlichen Selbststeuerung des Lernens ohne Notendruck und drohende Nichtversetzung.
Ein Beispiel aus dem Fernunterricht des Autors war ein digitaler Mathe-Test ohne Noten mit sechs unterschiedlichen Aufgaben. Anhand des Ergebnisses der automatischen Korrektur wurden den Schülerinnen und Schülern die vorhandenen Defizite aufgezeigt. Über die Osterferien standen den Lernenden sechs zu den Aufgaben passende digitale Übungsblätter zum freiwilligen Üben zur Verfügung. Direkt nach den Osterferien wurde der gleiche Mathe-Test nur mit anderen Zahlenwerten ohne Noten wiederholt. Es zeigte sich hierbei ein deutlicher Lernerfolg, dessen Bedeutung mit der Klasse ausführlich diskutiert wurde.
Ein weiteres Beispiel zur Förderung der Selbstorganisation beim Lernen ist die eigenständige Erarbeitung von neuem Wissen im Rahmen von asynchronen Lernphasen.
Die Schulen müssen alle Schülerinnen und Schüler unterstützen, Kompetenzen zum selbstgesteuerten und eigenverantwortlichen Lernen zu erwerben. Gerade vor diesem Hintergrund sollten auch im normalen Unterricht nach Corona festgelegte Zeiträume mit eigenverantwortlichen Übungsphasen und der selbstorganisierten Erarbeitung von neuem Wissen ihren festen Platz an jeder Schule finden. Auf online-Konferenzen und im #TwitterLehrerzimmer wird bereits der „FREI-DAY“ als schulischer Lernbereich der Zukunft diskutiert.
Zusammenfassung
Der Nutzen von digitalen Medien zum zeitgemäßen Lernen wurde durch die Corona-Krise für Schüler, Eltern und Lehrer offensichtlich. Es zeigte sich aber auch, dass die pädagogische Reichweite von digitalen Anwendungen Grenzen hat. Das menschliche Miteinander im Klassenzimmer, der Umgang mit Emotionen sowie die Dynamik im Präsenzunterricht lassen sich weder durch Mail-Kontakt, Audio-Chat noch durch Videokonferenzen ersetzen. Die soziale Dimension des Unterrichts wird niemals durch ausgeklügelte Algorithmen sowie durch künstliche Intelligenz durchdrungen werden. Digitale Medien sind somit nur als Hilfsmittel im Lernprozess zu sehen - mehr nicht!
Aufgrund der beschriebenen Erfahrungen kann die Corona-Krise ein Ausgangspunkt für eine nachhaltige Schulentwicklung sein. Die Herausforderung besteht nun jenseits der Entwicklung eines Fernunterricht-Konzept 2.0, die neuen Erkenntnisse für eine eigenverantwortliche und offene Lernkultur im Unterrichtsalltag fest zu verankern und mit den digitalen Möglichkeiten sinnvoll zu verknüpfen.
Hinweis
Der Artikel ist durch vielfache Diskussionen und Beiträge im #TwitterLehrerzimmer enstanden. Er enthält Links zu ideengebenden Projekten.
Stand des Artikels: 25.10.2020.
1. App-Erstellung für Lehrer*innen
Lehrerinnen und Lehrer haben die Möglichkeit eigene interaktive Apps mit multimedialen Bausteinen zur Unterstützung des Lern- und Lehrprozesses sowie zur semiformellen Lernprozessdiagnose zu erstellen. Für den Schulunterricht bieten sich hierfür u. a. die Web-Plattformen LearningApps, LearningSnacks und h5p an. In den drei deutschsprachigen Portalen können Lehrerinnen und Lehrer zunächst über die Such-Funktion auf fertige Apps für den Unterricht zurückgreifen. Nach einer Registrierung können eigene Apps für den Unterricht erstellt werden.
2. App-Erstellung für Schüler*innen
Bei LearningApps und LearningSnacks können Lehrerinnen und Lehrer datenschutzkonforme Schüleraccounts anlegen. Die Lernenden werden dann zu eigenen App-Produzenten und können Ihre Produkte gegenseitig testen und bewerten.
3. Geschlossene Aufgaben
Zu beachten ist, dass sich in die Apps nur geschlossene Aufgabentypen mit eindeutigen Antworten integrieren lassen. Erste Ansätze für die automatisierte Korrektur der freien Antwort von offenen Fragestellungen bieten die Lernplattformen Context und IBM Watson Education.
Einführung in das Unterrichtsprojekt
Mathematik bei sommerlichen Temperaturen in der Freiburger Altstadt entdecken? Smartphones raus und los geht die Tour! Die Vorbereitung dazu ist denkbar einfach:
Neben der mathematischen Herausforderung enthält jede Aufgabe touristische Informationen zu Freiburger Sehenswürdigkeiten rund um das jeweilige Messobjekt. Damit die Motivation beim Lösen der jeweiligen Mathe-Challenge nicht verloren geht kann jederzeit ohne Punkteabzug auf zwei Lösungshinweise zurückgriffen werden. Nach dem Abschluss der Aufgabe steht eine vollständige Musterlösung zur Verfügung.
Im Rahmen der Projektarbeit MathCityMap der Klasse 9a des Friedrich-Gymnasiums Freiburg entstanden 53 digitale Mathe-Aufgaben an real existierenden Objekten in der Freiburger Innenstadt, die zu zehn Mathe-Trails verknüpft wurden. Das Schüler*innen-Projekt fand in Kooperation mit Prof. Dr. Matthias Ludwig vom Institut für Didaktik der Mathematik der Goethe-Universität Frankfurt statt. Alle erstellten Schüler*innen-Aufgaben und -Trails durchliefen vor der Veröffentlichung einen Experten-Review-Prozess durch das MathCityMap-Team der Goethe-Universität Frankfurt.
Die für das Unterrichtsprojekt am Friedrich-Gymnasium konzipierten Arbeitsblätter und Erklärvideos sowie die zehn erarbeiteten Freiburg-Trails stehen über das Projekt-Board bit.ly/3zqFMpM zur freien Nutzung zur Verfügung (Creative Common Lizenz). Schulen können das Material beliebig anpassen, die 54 Aufgaben zu neuen Mathe-Trails kombinieren oder selbst mit Schüler*innen weitere digitale Mathe-Challenges in und um Freiburg erstellen.
1. Unterrichtsverlauf der Projektarbeit
1.1 Expertenvortrag per Videokonferenz
Am 27.6.2022 wurden die Schüler*innen der Klasse 9a durch einen Expertenvortrags per Videokonferenz durch Simon Barlovits (Goethe-Universität Frankfurt) in das Thema der mathematischen Wanderpfade eingeführt. Das Ziel des Unterrichtsprojektes war die eigenständige Erstellung von digitalen Wanderpfaden in Partnerarbeit. Die Qualität der Mathe-Trails sollte so gut sein, dass möglichst viele Aufgaben am Ende den Experten-Review-Prozess der Goethe-Universität Frankfurt bestehen und weltweit veröffentlicht werden. Zur Orientierung bezüglich der Anforderungen stand den Schüler*innen ein genauer Arbeitsauftrag mit einem ausführlichen Erwartungshorizont zur Verfügung (siehe Projekt-Board). Die im Projekt entstandenen Mathe-Trails gingen in die Notengebung des Faches Mathematik ein und zählten dabei genau so viel wie eine schriftliche Klassenarbeit.
1.2 Auf Entdeckungsreise in der Innenstadt: Erstellung von Aufgaben
Nach dem Einführungsvortrag fand der Mathematikunterricht in den folgenden zwei Doppelstunden in Freiarbeit in der Freiburger Innenstadt statt. Die Lernenden mussten dabei in Partnerarbeit geeignete Aufgaben finden, diese in ein mathematisches Modell übertragen, Messwerte (Länge, Anzahl, Winkel, …) aufnehmen, eigene Fotos des Objekts aufnehmen und erste Lösungen berechnen.
Die Erstellung der digitalen Aufgaben und die Verknüpfung zu Mathe-Trails erfolgte über zwei weitere Doppelstunden in der Schule in Freiarbeit. Dazu erhielt jede Zweiergruppe ein pseudonymes Benutzerkonto zum Login ins DSGVO konforme MathCityMap Webportal.
1.3 Peer-Feedback: Optimierung der Mathe-Trails
Nach der Erstellung der Trails erfolgte eine weitere Doppelstunde in der Freiburger Innenstadt. Hier sollten die Partnergruppen die Trails gegenseitig erproben und sich über ein analoges Formular Rückmeldung zur Verbesserung der Aufgabenstellung, der Hinweise, der Musterlösung und der touristischen Hinweise geben. Neben der verbalen Rückmeldung sollten sich die Gruppen auch gegenseitig Noten für die einzelnen Anforderungen im Erwartungshorizont geben.
Für die Einarbeitung des Peer-Feedbacks stand eine weitere Doppelstunde zur Verfügung. Zur Abgabe des Lernprodukts stand ein Bewertungsformular (siehe Projekt-Board) mit einer Reflexion der Projektarbeit und der notenmäßigen Selbsteinschätzung zur Verfügung. Die besten Mathe-Trails und Aufgaben wurden schließlich durch den Lehrer für den Experten-Review Prozess der Goethe-Universität Frankfurt eingereicht.
1.4 Experten-Review-Prozess
Beim Experten-Review durch die Goethe-Universität Frankfurt wurde zunächst über die Hälfte der eingereichten Schüler*innen-Aufgaben aufgrund der gewählten Lösungsintervalle abgelehnt. Bei einer erneuten Durchführung des Projektes wird deshalb die exakte Berechnung der Lösungsintervalle in mit der App Numbers am Tablet sowie die Anzeige des Bildes der berechneten Tabelle in der Musterlösung für alle Lernenden verpflichtend sein. Nach der Korrektur der fehlerhaften Lösungsintervalle konnten die zunächst abgelehnten Aufgaben erneut beim Review eingereicht werden und bestanden in den meisten Fällen die Prüfung durch die Experten.
Andere Schüler*innen-Aufgaben wurden beim Experten-Review abgelehnt, da die Musterlösung mathematische Fehler enthielt, die Aufgabe nicht logisch erschien oder mit einer unmittelbaren Gefahr (Messung an der Bahnsteigkante von Gleis 1 am Freiburger Hauptbahnhof) verbunden war.
Neben jeder einzelnen Aufgabe musste auch jeder neu konzipierte Trail zum Experten-Review eingereicht werden. Die zunächst abgelehnten Trails waren von der Wegführung zu lang oder enthielten zu viele Aufgaben. Auch hier konnte nach einer Verbesserung der Routenführung und der Reduzierung von Aufgaben ein neues Experten-Review beantragt werden.
2. Eingesetzte digitale Werkzeuge
Um für das MathCityMap Webportal qualitativ hochwertige Aufgaben, Lösungshinweise und Musterlösungen zu erstellen, sollten sich die Lernenden vor der Erstellung der Aufgaben mit drei digitalen Tools zur Berechnung von Lösungsintervallen (App Numbers), zum Editieren von Formeln (LaTeX) und zum Zeichnen von Skizzen (App GoodNotes & GeoGebra) befassen.
2.1 App Numbers zur Berechnung von Lösungsintervallen
Bei der wiederholten Messung von z. B. der Länge einer 2,50 m langen Bank im Stadtgarten mit einem 2 m langen Zollstock fällt auf, dass die Messungen in der Genauigkeit variieren können: Die gemessenen Längen l liegen je nach Messmethode im Bereich von l = 2,48 m bis zu l = 2,52 m. Insbesondere bei unregelmäßig geformten oder sehr großen Objekten sind größere Messabweichungen zu erwarten. In realen Situationen gibt es beim Messen nie eine exakte Lösung. In der App MathCityMap ist es deshalb erforderlich zu jeder Messung einer selbst ausgedachten Aufgabe auch ein Lösungsintervall mit guten Ergebnissen (grüner Bereich), akzeptablen Ergebnissen (gelber Bereich) und ungenügenden Ergebnissen (roter Bereich) anzugeben.
Für die Schüler*innen bedeuten die verschiedenen Lösungsintervalle, dass jede Aufgabe fünfmal berechnet werden muss: Ein exakter Rechenwert, zwei Werte für das Ende des grünen Bereichs und zwei Werte für das Ende des gelben Bereichs. Einige Gruppen nutzen zur schnellen Berechnung der fünf Lösungen die App Numbers (Tabellenkalkulation) am Tablet (Bild 4).
Zum Einsatz der App Numbers für die Berechnung von Lösungsintervallen entstand ein eigenes Erklärvideo: https://youtu.be/trj3iRNNaQY
2.2 LaTeX für ein professionelles Formel-Layout
Neben der Angabe des Lösungsintervalls ist es in MathCityMap erforderlich zu jeder Aufgabe Lösungshinweise in Form von zwei bis drei gestuften Hinweisen anzugeben sowie eine ausführliche Musterlösung zu erstellen. Dabei kam durch die Schüler*innen im Unterricht sofort die Frage auf, wie komplizierte mathematische Formeln in ein normales Textfeld eingebunden werden können.
Für das professionelle Formel-Layout bietet das Webportal von MathCityMap die optionale Möglichkeit der Eingabe von LaTeX-Codes. An Hochschulen ist LaTeX im Bereich der Mathematik und den Naturwissenschaften eine Standardanwendung für die Erstellung von wissenschaftlichen Arbeiten. LaTeX begegnet den Schüler*innen aber auch bei schulischen Anwendungen: So müssen innerhalb der Präsentations-App Keynote z. B. für eine Referat alle mathematischen Formeln mit dem zugehörigen LaTeX-Code eingegeben werden. Von daher kann eine Einführung in einfache LaTeX Befehle im Mathematikunterricht der 9. Klasse nicht schaden.
Zur einfachen Erstellung des LaTeX-Codes ohne Programmierkenntnisse stand den Schüler*innen das Web-Portal bzw. die App MyScript-Math webdemo.myscript.com zur Verfügung. Bei MyScript-Math werden aus der handschriftlichen Eingabe einer Formel digitale Formel-Formate erzeugt. Neben der Ausgabe der Formel als Bild wird u. a. auch der zugehörige LaTeX-Code in Textform ausgegeben. Dieser Code kann kopiert und in die Textfelder des Webportals MathCityMap zwischen zwei $-Zeichen eingefügt werden. Mit der gleichen Methode kann der LaTeX-Code auch in das Gleichungs-Formular der App Keynote kopiert werden.
Zum Einsatz von LaTeX-Codes in der App Keynote und im Webportal MathCityMap entstand ein eigenes Erklärvideos: https://youtu.be/9srs8SMq6RE
2.3 App GoodNotes und App GeoGebra für digitale Skizzen
Bei den gestuften Hinweisen gibt es bei MathCityMap die Möglichkeit, statt eines Textes eine Skizze als Bild einzufügen. Den Schüler*innen standen für mathematische Skizzen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: In das Titel-Foto der Aufgabe innerhalb der App GoodNotes mit dem Apple-Pencil mathematische Skizzen hinzufügen oder 2D- bzw. 3D-Skizzen mit der App GeoGebra Geometrie bzw. GeoGebra 3D Rechner erstellen. Beide GeoGebra - Apps wurden im Mathematikunterricht bereits eingeführt und mehrfach genutzt.
3. Didaktische Hinweise
3.1 Projektmethode und prozessbezogene Kompetenzen
Mit einer kreativen offenen Aufgabenstellung wie der eigenständigen Erstellung eines Mathe-Trails im Rahmen einer Projektarbeit werden die Schüler*innen zu Produzenten ihres eigenen Wissens. Durch den authentischen und realitätsbezogenen Kontext wird Mathematik im Alltag erlebbar. Digitale Medien können hierbei durch die einfache Erstellung von professionellen multimedialen Produkten wie einem Mathe-Trail innerhalb einer App Lernprozesse fördern. Im Rahmen der Projektmethode erleben die Lernenden im Team einen hohen Grad an Handlungsorientierung, Selbstwirksamkeit, sozialer Eingebundenheit und Autonomie. Die Verbindung von digitalen Medien mit offenen Aufgaben leistet gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur (Selbst-) Differenzierung und fördert prozessbezogene Kompetenzen.
3.2 Unterrichtsszenarien für eine schülerorientierte Mathe-Trail Erstellung
Für die schülerorientierte Erstellung von Mathe-Trails gibt es verschiedene Unterrichtszenarien. Diese können je nach Anspruch in zeitlich begrenzter Form oder als mehrwöchige Projektarbeit durchgeführt werden. Sinnvoll ist es zur Vorbereitung der Lernenden auf die Arbeits- und Berufswelt 4.0 die Erstellung von Mathe-Trails mit innovativen Methoden aus dem Projektmanagement wie der Nutzung von KanBan-Boards oder der Methode eduScrum zur verknüpfen. Im Folgenden werden drei Unterrichtszenarien entsprechend der Sozialform unterschieden:
3.3 Anlegen von pseudonymen Schüler*innen-Accounts
Zur Vorbereitung des Projekts mussten durch den Lehrer 15 pseudonyme Schüler-Accounts mit Hilfe von eigens dafür erstellten Schul-Mail-Adressen händisch angelegt und verwaltet werden. Um das Erstellen von Aufgaben durch Schüler*innen zu erleichtern, wird das MathCityMap-Team bis Ende des Jahres 2022 die Option der „Schüler*innen-Accounts“ in das System integrieren: Diese ermöglicht es der Lehrkraft, Schüler*innen-Accounts mit individuellen Berechtigungen ohne Registrierungsprozess auf Seiten der Lernenden zu erstellen.
4. Fazit
Trotz des knappen Projektzeitraums kurz vor den Sommerferien (Juli 2022) haben zahlreiche Partnergruppen der Klasse 9a exzellente Ergebnisse erreicht (Übersicht 1). Motivierend war für die Schüler*innen beim MathCityMap Projekt vor allem der Alltagskontext, der intensive Umgang mit digitalen Medien sowie die Erweiterung und der ständige Wechsel des Lernraums vom Klassenzimmer zur Innenstadt. Die Erfahrungen während der vierwöchigen Projektlaufzeit in der Schulpraxis werden nun mit dem MathCityMap Team reflektiert, das erstellte Material verbessert und in didaktischen Fachzeitschriften veröffentlicht.
Danksagung
Das Friedrich-Gymnasium Freiburg bedankt sich ganz herzlich beim MathCityMap-Team unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Matthias Ludwig der Goethe-Universität Frankfurt für die zeitlich intensive Kooperation, die schnelle Hilfe bei technischen Herausforderungen und die fachliche Begleitung des Unterrichtsprojektes.
Literatur
Hinweis
Der Artikel wurde am 01.09.2022 auf der Homepage des Friedrich-Gymnasiums Freiburg veröffentlicht.
Das Verständnis von funktionalen Zusammenhängen gehört in den MINT-Fächern zum grundlegenden Basiswissen. Eine von vielen Methoden zur Förderung der funktionalen Kompetenz ist das körperliche Erleben mit Fahrzeugen (Carts) oder Ultraschallsensoren [12].
Smart-Carts der Firma Pasco oder Sensor-Carts der Firma Vernier enthalten zahlreiche Sensoren (Kraft, Weg, Winkelgeschwindigkeit, Beschleunigung) und sind vor allem im Physikunterricht zum Thema Mechanik vielseitig einsetzbar.
In der kostenlosen App MatchGraph! (Pasco) sind vorgefertigte Weg-Zeit- oder Geschwindigkeits-Zeit-Diagramme auf unterschiedlichem Niveau verfügbar. Über ein Smart-Cart oder ein Ultraschallsensor (Pasco) wird die Fahrt- bzw. Laufstrecke von Schülerinnen und Schülern live aufgezeichnet und direkt in das gewählte Diagramm projiziert. Zur Steigerung des Wettbewerbs innerhalb der Klasse (Gamification) wird auf dem Bildschirm nach jedem Durchgang die Erfolgsrate in Prozent angegeben.
Alternativ können die Smart-Carts oder Ultraschallsensoren auch ohne Wettbewerbsmodus mit der zugehörigen App SPARKvue (Pasco) oder Graphical-Analysis (Vernier) gekoppelt werden. Zur Förderung des Verständnisses von funktionalen Zusammenhängen werden eigene Vorlagen in drei Niveaustufen angeboten (grün, gelb, rot). In Tablet-Klassen erfolgt die Ergebnissicherung in Form einer digitalen Vergleichstabelle. Jede Zeile der Tabelle soll am Ende das vorgegebene s(t)- oder V(t)-Diagramm, eine verbale Beschreibung der Bewegung und das Bild der aufgenommenen Messung enthalten.
Über die Lernplattformen Bettermarks oder MatheBattle können Lehrerinnen und Lehrer allen Schülerinnen und Schülern einer Klasse mathematische Übungsaufgaben in Form eines selbst erstellten Arbeitsblattes digital zuweisen. Für die Gestaltung der Arbeitsblätter steht ein Aufgabenpool mit zahlreichen Übungsaufgaben zu allen mathematischen Themen der Klassenstufen 5-10 (bettermarks) und 5-12 (MatheBattle) zur Verfügung. Der Lernprozess am Schüler-Tablet oder BYOD-Smartphone wird bei jeder Aufgabe durch gestufte Hilfen und diagnostische Rückmeldungen konstruktiv unterstützt.
Der Lehrer sieht auf seinem Tablet sowohl zu Hause als auch im Unterricht mit welchem Erfolg die einzelnen Schüler das Arbeitsblatt bearbeitet haben. Gleichzeitig wird in der Lehrer-App angezeigt, wie zielführend die ganze Klasse einzelne Aufgaben gelöst hat. Abhängig von den Ergebnissen kann der Lehrer einzelnen Schülern weitere Aufgabenblätter digital zuweisen oder die problematischen Aufgaben im Unterricht mit allen Schülerinnen und Schülern besprechen.
Im Folgenden wird eine Unterrichtssequenz zum Thema der Wurzelrechnung in Klasse 8 beschrieben, die in dieser Form zu allen mathematischen Inhalten in jeder Klassenstufe durchgeführt werden kann:
Nach der lehrerzentrierten Einführung zur Wurzelrechnung, der Ergebnissicherung im Regelheft und analogen Aufgaben im Übungsheft wurde zur Lernprozessdiagnose ein digitaler „Test“ ohne Notengebung geschrieben. Im Test-Modus der Lernplattform erhalten die Schülerinnen und Schüler keine Hilfen, können den Stoff nicht nachschlagen und das Aufgabenblatt nicht wiederholen. Zum gemeinsamen Beginn des Tests erhält die Klasse durch den Lehrer einen Startcode mündlich mitgeteilt. Nach dem Ablauf der vorgegeben Bearbeitungszeit für den Test wird jedem Schüler und dem Lehrer sofort das erreichte Ergebnis in Prozent angezeigt. Über die verfügbare digitale Korrektur kann der Schüler Rechenfehler in jeder einzelnen Aufgabe selbstständig nachvollziehen. Mit dem erreichten Testergebnis wählen die Schüler zur binnendifferenzierten Förderung eines von drei vorbereiteten digitalen Arbeitsblättern mit dem Niveau 0-40%, 40-80% oder 80-100% aus. Als Hausaufgabe müssen schließlich alle Schülerinnen und Schüler im Arbeitsblatt des mittleren Niveaus eine Erfolgsrate von mindestens 60% erreichen. Lernende, die in der nächsten Stunde dieses Ziel noch nicht erreicht haben, erhalten ein Lerngespräch zur weiteren individuellen Förderung.
Die Vorbereitungszeit des Lehrers für die Erstellung des beschriebenen Tests und der drei Arbeitsblätter zur Binnendifferenzierung beträgt je nach Erfahrung mit der Lernplattform ca. 20 Minuten. Die digitalen Arbeitsblätter können wiederverwendet, mit den Kolleginnen geteilt oder auch als analoge Arbeitsblätter ausgedruckt werden.
Die digitale Lernplattform dient im Unterricht des Autors als Lernmittel ohne Leistungsdruck, weshalb die erzielten Ergebnisse nicht in die Notengebung eingehen. Zur Motivation der Schülerinnen und Schüler trägt der Spiel-Charakter (Gamification) bei: Nach jedem erfolgreich bearbeiteten Arbeitsblatt können Münzen und Sterne gesammelt werden. Zudem erhalten die Lernenden die Möglichkeit, eigenständig zusätzliche Aufgabenblätter zu rechnen, die in vorgefertigten Themenbüchern zur Verfügung stehen. Am Ende jedes Schuljahres erhalten die eifrigsten „Münz- und Sternsammler“ jeder Klasse durch den Förderverein der Schule Urkunden und Kinogutscheine.
Die Lernplattform bettermarks wird durch eine Berliner Firma betrieben und kostet pro Schüler und Schuljahr 10€. Eine kostenlose Alternative zu bettermarks ist die Lernplattform MatheBattle (https://www.mathebattle.de) des Mathematiklehrers Peter Sießegger aus Biberach. Einen Ansatz ohne personenbezogene Anmeldung verfolgt die kostenlose Lernplattform Serlo (https://de.serlo.org) des gemeinnützigen Vereins Serlo Education aus München.
Ähnliche Lernplattformen sind ebenso für die Fächer Englisch (Camden-Town), Deutsch (D-Eins-Sprache), Geschichte (mbook), ... erhältlich.
Um den Zusammenhang zwischen dem Schatten auf dem Erdtrabanten und der Position in Bezug zur Erde individuell zu erforschen, kann z. B. die iOS App solAR Education eingesetzt werden [11].
Nach einer kurzen lehrerzentrierten Einführung in die App solAR geht die gesamte Klasse zum Erforschen des Sachverhaltes mit einem digitalen Arbeitsauftrag (siehe Material) in die Sporthalle oder die Aula der Schule. Dort können die Lernenden die Konstellation „Sonne, Erde & Mond“ oder „Erde & Mond“ als laufende Animation so groß wie gewünscht mitten in den leeren Raum projizieren.
Zur Beobachtung des Mondes laufen die Schülerinnen und Schüler mit ihrem eigenen Tablet individuell durch die Aula und können so verschiedene Positionen im Weltall einnehmen. Für die Ergebnissicherung müssen aus der Perspektive der Erde acht Bilder des Mondschattens fotografiert und im digitalen Versuchsprotokoll an den entsprechenden Positionen auf dem Übersichtsbild zugeordnet werden.
Zeitgemäßer Unterricht sollte immer eine ausgewogene Mischung aus analogen und digitalen Lehr- und Lernsituationen darstellen. Im Anschluss an die virtuelle Erarbeitung sollen die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe einer Vorlage (siehe Material) ein Daumenkino zum Thema Mondphasen gestalten. Den Lernenden ist dabei freigestellt, wie viele Bilder das Daumenkino enthalten soll. Das fertige Produkt wird schließlich fotografiert und als Bild in das digitale Versuchsprotokoll eingefügt.
Die in der Unterrichtseinheit eingesetzte App solAR ist seit Januar 2019 als Education-Version zum Preis von 1,75€ (Volume Purchase Program) verfügbar. Leider besitzt die App noch astronomische Ungenauigkeiten: So sind die Skalierungen uneinheitlich, die Bahnen nicht elliptisch und die Bahnneigung des Mondes fehlerhaft. Trotz der noch vorhandenen fachlichen Defizite lässt sich der Physikunterricht mit der App solAR bereits zum jetzigen Zeitpunkt emotional anregend, individualisiert und wirkungsvoll gestalten.
Gute Wärmebildkameras für mobile Endgeräte sind bereits ab 250€ bei mehreren Firmen erhältlich. Der niedrige Preis erlaubt Schulen eine Anschaffung der Infrarotkameras in geeigneter Zahl für Schülerexperimente (12 Stück). Die Kameras werden nicht drahtlos über Bluetooth, sondern mit einen USB-C- oder Lightning-Anschluss mit dem mobilen Endgerät verbunden. Beim Kauf ist somit die Festlegung auf ein Betriebssystem erforderlich.
Bevor Lehrerinnen und Lehrer Infrarotkameras im Unterricht einsetzen, sollten sich diese intensiv mit der Theorie zur Wärmestrahlung beschäftigen: Ein Milchkännchen aus Metall, das mit kochendem Wasser gefüllt ist, wird von einer Wärmebildkamera als Objekt mit einer Temperatur von nur 37°C wahrgenommen. Würden Schülerinnen und Schüler dieses „kalt“ erscheinende Kännchen mit der ganzen Hand anfassen wären Verbrennungen vorherbestimmt. Die Erklärung des physikalischen Phänomens ist die geringe Emissivität von Wärmestrahlung bei glänzenden Oberflächen. Entsprechend müssen Wärmebilder immer im Bezug zur Oberfläche interpretiert werden.
Mit Wärmebildkameras können zahlreiche Vergleiche zwischen den Eigenschaften des sichtbaren Lichts und der Wärmestrahlung (Reflexion, Absorption, Streuung und Transmission) hergestellt werden [13]. Zudem lässt sich mit den Kameras der Alltagskontext sehr einfach in den Unterricht integrieren und zudem mit der Leitperspektive des Bildungsplans BW „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ verknüpfen (siehe ZPG-Material von Herr Dr. Markus Ziegler).
Ein offener und kreativer Arbeitsauftrag für Schülerinnen und Schüler der 9. Klassenstufe ist die Erforschung der Eigenschaften von Wärmestrahlung und der direkte Vergleich mit der optischen Strahlung. Während des Arbeitsauftrags haben die Lernenden die Möglichkeit, die Wärmebildkamera für Experimente nach Hause auszuleihen. Die Ergebnissicherung erfolgt mit einem selbst erstellten Erklärvideo in der App Explain Everything EDU. Im Film dürfen nur selbst erstellte Wärmebilder und Wärmevideos eingesetzt werden. Die Schüler können das fachliche Niveau des Erklärvideos selbst wählen.
Arbeitsauftrag:
Erforsche die Eigenschaften von Wärmestrahlung und vergleiche diese mit der optischen Strahlung. Erstelle mit Hilfe Deiner Forschungsergebnisse ein Erklärvideo.
Niveau einfach: Filmbeitrag für die „Sendung mit der Maus“ – WDR,
Niveau mittel: Filmbeitrag für die Sendung „Galileo“ – Pro7,
Niveau hoch: Filmbeitrag für die Sendung „[W] wie Wissen" – ARD.
Wie schnell ist der Schall? Diese Frage soll auf dem Schulhof über die Laufzeitmessung eines Knallsignals beantwortet werden [14]. Der Knall der Startklappe aus dem Sportunterricht läuft dabei über das Smartphone hinweg, wird an einer 8-10 m entfernten Wand des Schulgebäudes reflektiert und erreicht als Echo wieder das Smartphone (Idee: Dr. Markus Ziegler). Mit Hilfe der Messdaten kann die Schallgeschwindigkeit über die Formel v=(Wegstrecke ∙ 2 )/Laufzeit bestimmt werden. Die größte Herausforderung bei dem Experiment ist das Ablesen der Laufzeit des Knallsignals innerhalb der App „Schallanalysator“.
Die Vorbereitung der experimentellen Durchführung erfolgt mit dem Konzept „Flipped-Classroom“. Hierbei müssen die Schülerinnen und Schüler als Hausaufgabe das zugehörige Erklärvideo des Physiklehrers anschauen (https://youtu.be/ofi-APQBVqc) und den Inhalt als Heftaufschrieb zusammenfassen. In der nächsten Physikstunde wird über die App Team-Shake ein zufälliger Schüler ausgewählt, der seinen Heftaufschrieb präsentiert. Im Anschluss erfolgt die Prüfung des Wissens aller Schülerinnen und Schüler über eine digitale Life-Feedback-Anwendung wie z. B. Socrative oder Kahoot. Je nach dem Ergebnis der Lernprozessdiagnose gibt es zusätzliche Übungsaufgaben oder es erfolgt der sofortige Übergang zum Schülerexperiment.
Nach der Sicherheitsunterweisung zum Thema Knalltraumata werden die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe der App Team-Shake in zufällige Partnergruppen aufgeteilt und erhalten die Experimentiermaterialien. Zur Binnendifferenzierung sind verschiedene Niveaustufen vorhanden, die innerhalb des Experiments nacheinander erreicht werden können. In Tablet-Klassen erfolgt die Ergebnissicherung handschriftlich mit dem Tablet-Stift in der App GoodNotes.
Arbeitsauftrag:
Bestimme die genaue Geschwindigkeit V des Schalls.
Einfaches Niveau: Bestimme die Schallgeschwindigkeit V mit einer Messung.
Mittleres Niveau: Bestimme die Schallgeschwindigkeit V mit zwei separaten Messungen.
Hohes Niveau: Bestimme die Schallgeschwindigkeit V über den Mittelwert von fünf Messungen.
[1] Hillmayr, D., Reinhold, F., Ziernwald, L., Reiss, K. (2017).
Digitale Medien im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht der Sekundarstufe:
Einsatzmöglichkeiten, Umsetzung und Wirksamkeit.
Waxmann-Verlag, Münster.
Homepage
[2] Wampfler, P. (2020).
Blog-Beitrag: Technik und Pädagogik in einer Kultur der Digitalität.
https://schulesocialmedia.com/2020/04/14
[3] Mihajlovic, D. (2018).
Blog-Beitrag: Digitale Plattformen konservieren eine überholte Lernkultur.
https://mihajlovicfreiburg.com/2018/12/14/
[4] Schleicher, A. (2019).
Interview: Eine Technologie des 21. Jh. passt nicht mit einer Pädagogik aus dem 20. Jh. zusammen.
https://www.news4teachers.de/2019/02/schleicher-im-interview/
[5] Muuß-Mehrholz, J. (2020).
Blog-Beitrag: Digitale Schule zwischen "Unterrichtsabsicherung" und neuer Lernkultur.
www.forumbd.de/blog/digitale-schule-zwischen-unterrichtsabsicherung-und-neuer-lernkultur/
[6] Holmes, W., Anastopoulou S., Schaumburg, H. & Mavrikis, M. (2018).
Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien. Ein roter Faden.
http://www.studie-personalisiertes-lernen.de
Robert Bosch Stiftung, Stuttgart.
[7] Umgesetzt nach einer Idee von Hendrik Haverkamp & Axel Krommer (2020).
Twitter-Tweet &
axelkrommer.com/2020/07/02/
[8] Falck, J. (2020).
Blog-Beitrag: Allein und doch gemeinsam - die Unterrichtskultur des Abstand haltens.
https://joschafalck.de/allein-und-doch-gemeinsam/
[9] Bronner, P. (2020).
Lernprozessdiagnose mit digitalen Medien.
Zeitschrift "PÄDAGOGIK", Beltz Verlag, 04/2020.
[10] Schweinberger, M., Watzka, B. & Girwitz, R. (2019).
Üben mit stummen Experimentiervideos.
Unterricht Physik, 5/173.
[11] Bronner, P. (2019).
Das Weltall im Klassenzimmer - Physikunterricht mit Augmented Reality.
Magazin ExcitingEdu, 01/2019.
Download PDF
[12] Bronner, P. (2020).
Funktionale Zusammenhänge mit Sensoren erleben.
Zeitschrift "Unterricht Physik", Friedrich Verlag, 175/2020.
[13] Bronner, P. (2020).
MINT hautnah – mit der Tablet-Wärmebildkamera.
Zeitschrift "ExcitingEdu", Klett Verlag, 03/2020.
[14] Bronner, P. (2020).
Bestimmung der Schallgeschwindigkeit mit der Methode Flipped-Classroom.
Zeitschrift "Unterricht Physik", Friedrich Verlag, 175/2020.
[15] Kultusministerkonferenz: Ergänzenden Empfehlung „Lehren und Lernen in der digitalen Welt“
zur KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt" (09.12.2021)
https://www.kmk.org/themen/bildung-in-der-digitalen-welt/strategie-bildung-in-der-digitalen-welt.html
[16] Themenheft "4K - Skills für das 21. Jahrhundert?"
Zeitschrift
PÄDAGOGIK, Beltz Verlag, 12/2021.
Hinweis:
Die Texte und die digitalen Unterrichtsbeispiele auf dieser Homepage wurden u. a. durch vielfache Diskussionen und Beiträge im
#TwitterLehrerzimmer im Zeitraum 2019-2022 inspiriert. Die einzelnen Artikel enthalten Literaturhinweise [1] - [16] und Links zu ideengebenden Projekten. Falls Sie bemerken sollten, dass eine Zitation oder eine Quellenangabe nicht korrekt genannt wurde, dann melden Sie sich bitte umgehend, damit das Missverständnis geklärt wird. Gerne nehme ich Ihre Hinweise auf die Seite auf.
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